Informationen über Lastaufnahmemittel
Seit jeher stellt sich in allen Zivilisationen in den Bereichen Produktion, Güterverkehr und Warenlagerung die Frage:
Wie hebe ich effektiv große, unhandliche, schwere oder viel Ware. Noch heute ist es ein Rätsel, wie die in Stonehenge stehenden Steine, die bis zu 50 Tonnen schwer und 5 m hoch sind, über 300 km dorthin transportiert worden sind, es müssen Hebekonstruktionen vorhanden gewesen sein.
Beim Heben von Lasten kommt es darauf an, hohe Lasten ohne Einbindung großer Personenanzahl und Kraftaufwand durch eine günstige Hebekonstruktion auf zu nehmen und zu transportieren. Im Vergleich antiker und mittelalterlicher Hebekonstruktionen mit modernen gibt es auffallende Ähnlichkeiten, das zeigt, wie effektiv Technik schon vor Jahrtausenden ausgereift war.
Für eine gefahrfreie Nutzung von Lasthebeanlagen müssen folgende Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden:
- wie schwer ist die Last?
- wo befindet sich der Lastschwerpunkt – mittig oder außermittig?
- welche Lastaufnahmemittel stehen mir zur Verfügung?
- wie ist meine Kenntnis über Tragfähigkeit von Lastaufnahmemitteln?
- welches Lastaufnahmemittel ist geeignet?
- ist die Last gegen unbeabsichtigtes Aushängen gesichert?
- wie verhalten sich Lastaufnahmemittel beim Anschlagen / Anheben / Transport?
- wie vermeide ich unkontrolliertes Bewegen / Pendeln / Kollabieren während des Hebevorganges?
- wie vermeide ich Schäden an Lastaufnahmemitteln?
- wie verhält sich die Last beim Absetzen und Lösen der Lastaufnahmemittel?
- wo bewahre ich Lastaufnahmemittel auf?
Bei Hebekonstruktionen unterscheidet man zwischen drei Komponenten
Tragmittel = dauernd mit dem Kran verbunden
Einrichtungen zum Aufnehmen von Lastaufnahmemitteln, Anschlagmitteln oder Lasten (z.B. Kranhaken, sowie fest eingescherte Greifer oder Traversen)
Anschlagmittel: Sind kein Teil des Krans
Beispiele: Hebebänder, Rundschlingen, Hakenketten, Endlosseile, Seilgehänge und lösbare Verbindungsteile (wie z. B. Schäkel)
Lastaufnahmemittel: Sind kein Teil des Krans
Beispiele: Hebeklemmen, C-Haken, Greifer, Traversen, Lasthebemagnete oder Vakuumheber
Beispiele von Lastaufnahmemitteln
Kennzeichnung von Lastaufnahmemitteln
Die häufigsten Unfälle mit Lasten sind auf Versagen der Anschlags- oder Lastaufnahmemittel zurück zu führen. Wenn es zur Überlastung und Abriss kommt, sind die Folgen meist tödlich. Die juristischen Folgen hierfür trägt alleine der für den Hebevorgang Verantwortliche.
Daher ist es im Vorfeld wichtig, die Tragkräfte der einzelnen Tragekomponenten zu erkennen und das für die Last richtige Hebemittel zu wählen.
Alle Lastaufnahmemittel müssen ein vom Hersteller aufgebrachtes Typenschild aufweisen, aus dem folgende Daten eindeutig erkennbar sind:
1. Hersteller
2. CE-Kennzeichnung
3. Serien-Nr.
4. Baujahr
5. Tragkraft
Kennzeichnung von Stahlketten-Komponenten an Lastaufnahmemitteln
Anschlagketten werden mit zwei unterschiedlichen Metallplaketten markiert
Was ist der Neigungswinkel
Der Neigungswinkel kommt erst bei der Nutzung von Lastaufnahmemitteln mit mehrsträngigen Anschlagmittelkomponenten zum Tragen. Hierbei wird die Last auf die einzelnen Stränge verteilt.
Zur Veranschaulichung:
Wer schon mal Gewichte gehoben hat kennt den Effekt:
Hängen die Gewichte am Körper senkrecht herab, wirken auf die Arme die tatsächlichen Lasten zu 100% (wie bei einem Einstrang-Anschlagmittel).
Je mehr die Arme abgespreizt werden, umso größer wird die Belastung auf die Gliedmaßen (also wirkt sich die zu hebende Last bei steigendem Neigungswinkel immer negativer auf jeden einzelnen Strang eines Mehrstrang-Anschlagmittels aus).
Mit Neigungswinkel wird der Winkel bezeichnet, der gebildet wird aus der Richtung eines Stranges des Anschlagmittels und einer gedachten Lotrechten. Er lässt sich auch bei mehrsträngigen Gehängen gut messen, weil er von außen zugänglich ist.
Übersteigt der Neigungswinkel 60° werden die einzelnen Stränge exponentiell so stark belastet, dass durch Überbelastung ein Versagen nicht ausgeschlossen werden kann. Somit ist ein Neigungswinkel über 60° nicht zulässig.
Kennzeichnung von Stahlseil-Komponenten an Lastaufnahmemitteln
Kennzeichnung von textilen Komponenten an Lastaufnahmemitteln
Weitere Lastmerkmale an textilen Komponenten an Lastaufnahmemittel können sein:
Hersteller definieren ihre Produkte zusätzlich durch Längsstreifen auf den textilen Anschlagmitteln. Faustregel hier: 1 Streifen = 1 t Tragkraft (Bild oben links: 3 Streifen = 3 t Tragkraft)
Textile Hebemittel (Hebebänder und Rundschlingen) müssen entsprechend der Vorgabe in der DIN EN 1492 in einer Farbe ausgeführt sein, die dem in der Norm vogegebenen Farbcode entspricht.
Das hat den Hintergrund, dass der Anwender bereits an der Farbe auf die Tragkraft schließen können soll.
Aber Achtung: Weder die Farbe , noch die Anzahl der sog. Tonnenstreifen ist entscheidend!
Entscheidend ist das, was auf dem Label steht. Ohne Label darf das textile Hebemittel nicht mehr verwendet werden. Es gilt in diesem Fall als unbrauchbar (kaputt) und ist ablegereif!
Die Ablegereife bei Stahlketten-Komponenten von Lastaufnahmemitteln trifft ein:
- Abnahme der Dicke eines Kettengliedes um mehr als 10 % der Nenndicke
- Längung / Dehnung eines Kettengliedes um mehr als 5 % der Teilung
- Bruch einer Kettenkomponente
- Anriss in einer Kettenkomponente
- Verformung einer Kettenkomponente
Die Ablegereife bei Stahlseil-Komponenten von Lastaufnahmemitteln tritt ein durch:
- besonders starken Verschleiß durch Abrieb von mehr als 10 % der Dicke
- Beschädigung einer Pressklemme / eines Spleißes
- starken Drahtbruch
- starke Rostbildung
- Verformung des Seiles (Knicke, Kinken, Klanken, Aufdoldungen)
- starke Überhitzung
- Quetschungen, bei denen das Seil mehr als 15 % abgeplattet ist
Die Ablegereife bei textilen Komponenten von Lastaufnahmemitteln tritt ein durch:
- Einschnitte von mehr als 10 % an der Webkante
- Übermäßigen Verschleiß (z. B. Garnbrüche)
- Beschädigungen der Nähte
- Verformungen durch Wärme
- Schäden durch den Kontakt mit aggressiven Medien (Säuren / Basen)
- fehlendes oder nicht lesbares Label
- Beschriftung der Textilfläche
Also kurz und knapp zusammengefaßt heißt das:
Verboten ist:
- Komponenten von Lastaufnahmemitteln mit „artfremden“ Teilen zu verbinden (Draht, Schrauben, Bolzen…)
- Komponenten von Lastaufnahmemitteln unterschiedlicher Stärken miteinander zu kombinieren (Tragkraft wird durch das Bauteil mit der kleinsten Stärke bestimmt)
- Komponenten von Lastaufnahmemitteln unterschiedlicher Güteklassen miteinander zu verbinden
- Haken mit ihrer Spitze in ein Kettenglied ein zu hängen
- Einsatz von Anschlagketten in Verzinkungs- und Beizbädern von Feuerverzinkereien ist strengstens verboten!
- Zurrmittel niemals als Lastaufnahmemittel verwenden
- Nutzung von Lasthebemagneten über 80°C
Kaputt ist:
Lastaufnahmemittel dürfen nicht mehr verwendet werden (Ablegereife) bei:
- Brüchen, Anrissen, Schnitten, Kerben, übermäßiger Korrosion
- Verfärbungen durch Wärmeeinfluss
- Verformung von Konstruktionsteilen
- fehlendem oder unlesbarem Kennzeichnungsanhänger oder -label
- unzulässigen Manipulationen an den Lastaufnahmemitteln
- übermäßige Längung / Verschleiß der Kettenglieder
- Aufweitung von Haken
- übermäßiger Verschleiß des Hakengrundes
- übermäßiger Verschleiß der Aufhänge- oder Endglieder
- Einschmelzung von Schweißpartikeln in textile Lastaufnahmemittel
- Feuer-, säure/basen- oder hitzebedingte Schmelzerscheinungen an textilen Lastaufnahmemitteln
- Spleißungen und beständige Verformungen an Stahlseilen
- Mechanische Beschädigungen (Ausbrüche/Durchrisse/Arretierungsbeschädigungen) von Magnethebern
Zu beachten ist:
- beim Arbeiten mit Anschlagmitteln die dafür vorgeschriebene PSA tragen (Verletzungsgefahr!)
- vermeiden Sie Reißen oder Ruckbelastung
- Textile Komponenten von Lastaufnahmemitteln dürfen nicht geknotet oder verdreht belastet werden
- angehobene Lasten niemals schleppen oder schleifen
- Haken und andere Kettenendbeschläge dürfen nicht auf Biegung beanspruch werden
Regelmäßige Prüfungen und Prüffristen (UVV-Prüfung)
Lastaufnahmemittel unterliegen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).
Entsprechend DGUV-R 100-500 müssen alle Lastaufnahmemittel in Abständen von längstens einem Jahr durch einen Sachkundigen geprüft werden, der Nachweis ist vom Eigentümer zu führen.
- Sichtkontrolle vor dem täglichen Gebrauch durch den Anschläger / Benutzer (regelmäßig)
- UVV-Prüfung min. 1 x jährlich durch eine befähigte Person (Sachkundiger)
Normative und rechtliche Verweise bei Anschlagmitteln
Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
Geräte und Produktsicherheitsgesetz (9.ProdVS)
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
DIN EN 13155:2017-11 : Krane - Sicherheit - Lose Lastaufnahmemittel
DGUV - Vorschrift 52 : Krane
DGUV - V54 : Winden, Hub- und Zuggeräte
DGUV - Regel 100-500 : Lastaufnahmeeinrichtungen im Hebezeugbetrieb
DGUV - Regel 109-004 : Rundstahlketten als Anschlagmittel in Feuerv erzinkereien
DGUV - Regel 109-005 : Gebrauch von Anschlag-Drahtseilen
DGUV - Regel 109-006 : Gebrauch von Anschlag-Faserseilen
DGUV - Information 209-012 : Kranführer
DGUV - Information 209-013 : Anschläger
DGUV - Information 209-021 : Belastungstabellen für Anschlagmittel
DGUV - Information 209-061 : Gebrauch von Hebebändern und Rundschlingen aus Chemiefasern
DGUV - Information 209-091 : Führen von Kranen - Innerbetrieblicher Transport mit Kranen in Hüttenwerken, Walzwerken und Gießereien.
Ggf. sind darüber hinaus gehende Sonderregelungen zu beachten, z.B. beim Gefahrguttransport, sowie entsprechende landesspezifische Vorschriften (außerhalb Deutschlands).
Abschließende Hinweise
Diese Informationsseite erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es soll dem Nutzer einen groben Überblick über das komplexe Thema „Heben von Lasten“ geben und ihn sensibilisieren, Unfälle durch Leichtsinn oder Unwissenheit zu vermeiden.
Version (III) 06/2020
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